Falsche KPIs: Wie du aufhörst, die falschen Marketing-Ziele zu verfolgen
Es ist ein Ritual, das in den Konferenzräumen unzähliger mittelständischer Unternehmen jede Woche stattfindet. Dein Marketing-Team präsentiert den Report für den letzten Monat. Die Stimmung ist optimistisch. Die Graphen zeigen nach oben: Der Website-Traffic ist gestiegen, die Anzahl der Social-Media-Follower hat einen neuen Höchststand erreicht, und die Reichweite der letzten Kampagne war beeindruckend.
Du als Geschäftsführer nickst, versuchst, die positive Energie zu teilen, aber eine nagende Diskrepanz lässt dich nicht los. Du blickst auf deine wirklich harten Zahlen – die Umsatzentwicklung, die Marge, die Anzahl der qualifizierten Neukunden – und dort siehst du kein entsprechendes Wachstum. Es fühlt sich an, als würdest du zwei verschiedene Geschichten hören. Und das tust du auch.
Du bist Opfer einer der teuersten und am weitesten verbreiteten Krankheiten im modernen Marketing geworden: der Jagd nach den falschen Zielen, den sogenannten "Vanity Metrics" (Eitelkeitsmetriken).
Diese Kennzahlen sind wie ein Tacho, der nur die Motordrehzahl anzeigt, aber nicht die Geschwindigkeit des Autos. Sie erzeugen eine Menge Lärm und das Gefühl von Aktivität, sagen aber nichts darüber aus, ob du dein Ziel tatsächlich erreichst. Wenn du lernst, den Unterschied zwischen diesen Eitelkeitsmetriken und echten, geschäftsrelevanten Key Performance Indicators (KPIs) zu erkennen, ist das der erste Schritt, um dein Marketing von einem undurchsichtigen Kostenfaktor in eine berechenbare Wachstumsmaschine zu verwandeln.
Die Galerie der gefährlichen Eitelkeitsmetriken
Diese Kennzahlen sind nicht per se schlecht, aber sie sind trügerisch, wenn sie als primäres Erfolgsmaß herangezogen werden.
1. Website-Traffic (Besucherzahlen)
- Warum er gut aussieht: "Mehr Besucher" klingt immer nach Erfolg. Es ist eine einfache, greifbare Zahl, die leicht zu steigern scheint.
- Warum er gefährlich ist: Traffic ohne Kontext ist bedeutungslos. Eine Million Besucher, die die falsche Zielgruppe sind, sind wertloser als hundert Besucher, die exakt dein idealer Kunde sind. Es ist, als wäre dein Fachgeschäft mit Touristen überflutet, die nur die Toilette suchen. Sie erzeugen Bewegung, aber keinen Umsatz.
- Die bessere Frage: Woher kommt dieser Traffic und was tun diese Besucher auf unserer Seite? Bleiben sie lange, lesen sie wichtige Artikel, oder springen sie sofort wieder ab?
2. Social-Media-Follower & Likes
- Warum sie gut aussehen: Eine hohe Follower-Zahl oder viele Likes auf einen Beitrag fühlen sich an wie Applaus. Es ist eine sichtbare Form der Anerkennung.
- Warum sie gefährlich sind: Applaus bezahlt keine Rechnungen. Follower können gekauft werden, Likes können von Nutzern stammen, die niemals Kunden werden. Diese Metriken haben oft keinerlei Korrelation zu deinen Geschäftszahlen und verleiten dazu, Inhalte zu erstellen, die populär sind, aber nicht profitabel.
- Die bessere Frage: Wie viele dieser Follower haben im letzten Monat unsere Webseite besucht und eine qualifizierte Anfrage gestellt? Welche Inhalte haben zu echten Geschäftsgesprächen geführt?
3. Keyword-Rankings
- Warum sie gut aussehen: "Wir sind auf Platz 1 für Keyword X!" ist ein klarer, vermeintlicher Sieg.
- Warum sie gefährlich sind: Ein Top-Ranking ist nur dann wertvoll, wenn das Keyword auch von potenziellen Kunden mit Kaufabsicht gesucht wird. Auf Platz 1 für einen Fachbegriff zu ranken, den niemand sucht, ist ein Sieg ohne Trophäe. Auf Platz 1 für ein sehr allgemeines Keyword zu ranken, kann viel irrelevanten Traffic bringen (siehe Punkt 1).
- Die bessere Frage: Für welche Keywords ranken wir, die nachweislich zu Anfragen und Verkäufen führen? Wie hoch ist der "Business-Wert" unserer Rankings?
Das Framework der richtigen KPIs: Die Brücke zum Umsatz bauen
Um aus der Eitelkeits-Falle auszubrechen, musst du eine Kette von Kennzahlen etablieren, die eine direkte, logische Brücke von der ersten Marketing-Aktivität bis zum Geldeingang auf deinem Konto baut.
Stufe 1: Die Qualität der Reichweite messen
Hör auf, nur den Traffic zu zählen. Fang an, seine Qualität zu bewerten.
- KPIs: Verweildauer auf strategisch wichtigen Seiten, Absprungrate, Anzahl der wiederkehrenden Besucher, Traffic-Quellen (kommen die Besucher von den richtigen Kanälen?).
Stufe 2: Die Konversion vom Besucher zum Lead messen
Das ist der erste, entscheidende Übergabepunkt. Wie viele der qualitativ hochwertigen Besucher werden zu greifbaren Interessenten?
- KPIs: Conversion Rate (Prozentsatz der Besucher, die eine gewünschte Handlung ausführen, z.B. ein Formular ausfüllen), Anzahl der Marketing Qualified Leads (MQLs) (Kontakte, die deinem Idealprofil entsprechen), Cost per Lead (CPL) (Was kostet dich ein neuer Interessent?).
Stufe 3: Die Konversion vom Lead zum Kunden messen
Hier wird die Brücke zum Vertrieb geschlagen. Dies sind die Zahlen, die dein Vertriebsleiter lieben wird.
- KPIs: Lead-to-Customer-Rate (Wie viele der Marketing-Leads werden zu zahlenden Kunden?), Customer Acquisition Cost (CAC) (Was kostet es dich im Durchschnitt, einen neuen, zahlenden Kunden zu gewinnen?), Länge des Sales-Cycles.
Die Königs-KPI: Die ultimative Kennzahl für profitables Marketing
Wenn du nur eine einzige Kennzahl zur Steuerung deines Marketings haben dürftest, wäre es diese: Das Verhältnis von Customer Lifetime Value (CLV) zu Customer Acquisition Cost (CAC).
- CLV: Der durchschnittliche Gesamtumsatz oder -gewinn, den ein Kunde über die gesamte Dauer seiner Geschäftsbeziehung bei dir generiert.
- CAC: Die Kosten, um diesen Kunden zu gewinnen.
Ein gesundes Unternehmen hat ein CLV:CAC-Verhältnis von 3:1 oder höher. Das bedeutet, für jeden Euro, den du ins Marketing steckst, bekommst du mindestens drei Euro zurück. Diese Kennzahl macht den Erfolg deines Marketings unanfechtbar und jede Diskussion über "zu teures Marketing" überflüssig.
Fazit: Fang an, die richtigen Fragen zu stellen
Deine Aufgabe als Geschäftsführer ist es nicht, die Details jeder Marketing-Metrik zu kennen. Aber es ist deine Aufgabe, die richtigen Fragen zu stellen und eine Kultur zu fordern, die sich auf Geschäftsergebnisse konzentriert, nicht auf Eitelkeiten.
Fordere von deinem Team oder deiner Agentur eine klare Antwort auf die Frage: "Wie genau zahlt diese Aktivität auf unseren CLV:CAC-Quotienten ein?"
Wenn du eine klare, datengestützte Antwort erhältst, bist du auf dem richtigen Weg. Wenn du ausweichende Antworten oder eine Wolke aus Fachjargon bekommst, weißt du, dass du in der Eitelkeits-Falle steckst. Der erste Schritt, um aus ihr herauszukommen, ist, sie zu erkennen.
